Kirche Heisfelde
Ein Dorf ohne Kirche
Heisfelde, 1939 ein Dorf mit
ca. 2.520 und 1952 mit ca. 3.380 Einwohnern, hatte bis 1954 weder eine
lutherische noch eine reformierte. Die „Kirche im Dorf" wie fast überall
in Ostfriesland, gab es für die Heisfelder Bürgerinnen und Bürger bis
dahin nicht. Die Gemeindeglieder mussten sich in der Regel zu Fuß auf
den Weg in die Stadt Leer machen, wenn sie am Gottesdienst, am
Kindergottesdienst, am Konfirmandenunterricht oder an Jugendkreisstunden
teilnehmen wollten.
Auf reformierter Seite gab es in den 20er Jahren zu Zeiten von Pastor Westermann (1911 - 1939) erste Überlegungen, in der damals kommunal selbständigen Ortschaft Heisfelde eine reformierte Kirche oder mindesten einen „Gemeinderaum" zu bauen. Doch durch Wirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg mussten alle Wünsche vorerst einmal zurückgestellt werden. Später, nach dem Krieg, so heißt es in einem Rückblick, waren Geld und Material knapp oder nicht vorhanden.
Die Planung
Anfang 1950 wurde dann wieder
ernstlich der Plan zum Bau einer reformierten Kirche in Heisfelde ins
Auge gefasst. Der Regierungsbaurat Müller-Stühler entwarf die Baupläne.
Die Kosten des Neubaus wurden von ihm ohne Einrichtung auf 55.000,-- DM
geschätzt. Tatsächlich hat die Kirche einschließlich Einrichtung am Ende
ca. 66.000,-- DM gekostet, wie eine Aufstellung aus dem Jahr 1960
zeigt. Die ev.-reformierte Landeskirche, damals noch mit Sitz in Aurich,
unterstützte das Vorhaben der Kirchengemeinde. Sie gewährte einen
Zschuss von 10.000,-- DM und ein Darlehen über 35.000,-- DM.
Am 8. September 1952 wurde der „Kirchbauverein e.V. der Ev. Ref. Kirchengemeinde Heisfelde" gegründet. Mit ihm sollten die Gemeindemitglieder vor allen Dingen in Heisfelde, aber auch in der Stadt, zur aktiven Unterstützung des Bauvorhabens animiert werden. Der Mindestmitgliedsbeitrag betrug 50 Pfennig pro Monat. Durch den Kirchbauverein sollten jährlich 5.000,-- DM aufgebracht werden. Tatsächlich sind ganz erhebliche Beträge durch den Verein aufgebracht worden.
Grundsteinlegung
1953 erwarb die Kirchengemeinde
von van Hoorns das Grundstück an der Dorfstraße für den Kirchbau. Die
Erlebachstraße, die zunächst viel passender Kirchweg hieß, gab es zu
dieser Zeit noch nicht. Am 19. Juli konnte dann die Grundsteinlegung mit
einem Gottesdienst unter freiem Himmel gefeiert werden.
Die Ostfriesen-Zeitung sprach vom „Gottesdienst an der Straße". Landessuperintendent Walter Herrenbrück (d.Ä.) legte seiner Predigt das Bild von den „lebendigen Steinen" und von dem Eckstein Jesus Christus aus dem 1. Petrusbrief zugrunde. Hatten die Planungen der Kirche in manchmal deutlich ausgesprochener Konkurrenz zum Bauvorhaben der lutherischen Gemeinde gestanden - sie hatte einige Wochen vorher Grundsteinlegung gefeiert - so sagte Herrenbrück im Blick darauf richtungsweisend: „Wir wollen gerade als Reformierte evangelisch sein und bleiben, das heißt nicht gegen die Lutheraner, aber auch nicht ohne sie, sondern mit ihnen zusammen."
„Im Gehorsam gegen Gottes Gebot und im Vertrauen auf seine Verheißung, wurde heute der Grundstein zu dieser Kirche gelegt. 'Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt.'" Psalm 12,9 (Wortlaut der in den Grundstein eingemauerten Urkunde)
Das Bauunternehmen Gebrüder Folkerts aus Leer war mit der Bauausführung beauftragt. Die Planungen von Müller-Stühler sahen vor, dass die Kirche sich im äußeren Aussehen den vorhandenen kleinen Häusern anpasst. Der „ländliche" Charakter der Landschaft im direkten Umfeld der Kirche sollte gewahrt bleiben. Daher ist auch der Glockenturm kaum höher als das Kirchenschiff. Bis zuletzt war es allerdings fraglich, ob der Turm überhaupt soweit gebaut werden konnte. Die finanziellen Mittel drohten zeitweise nicht zu reichen. Etliche Zeit wurde die reformierte Kirche in Heisfelde übrigens nicht als „Kirche", sondern als „Kapelle" bezeichnet...
Einführungsgottesdienst
Zum
Eröffnungsgottesdienst am 7. Juni, dem Pfingstmontag 1954, fand der
„Gottesdienst an der Straße" seine Fortsetzung. Zwar war die Kirche
fertig, aber sie war bei weitem zu klein, um die über 300 Besucher des
Eröffnungsgottesdienstes zu fassen. Deshalb wurde der Gottedienst über
Lautsprecher nach draußen übertragen. Landessuperintendent Herrenbrück
überreichte der Gemeinde die Wetterfahne für den Kirchturm in Gestalt
des „Schepken Christi". Er versäumte nicht darauf hinzuweisen, dass
Wetterfahnen eine zwiespältige Geschichte seien, dürften christliche
Gemeinden doch gerade nicht ihr Fähnchen in den Wind hängen. Passend zum
Geschenk hielt Pastor Herrenbrück die Predigt über die Geschichte der
Sturmstillung. Der Posaunenchor Leer mit Unterstützung aus Ihrhove sowie
der Kirchenchor sorgten für die musikalische Gestaltung. Eine schöne
Geste dieser Tage war, dass die Geschwistergemeinden des Bezirks in den
Gottesdiensten am Ersten Pfingsttag für die Bestuhlung der Heisfelder
Kirche gesammelt hatten. Lehrer Leding aus Loga überreichte die Kollekte
im Auftrag des Bezirkskirchenrates.
Eröffnet, aber nicht fertigt
Auch wenn die Kirche
nun eröffnet war, Gottesdienst und Kindergottesdienst gefeiert werden
konnte, war sie doch noch nicht fertig. Die erste Küsterin, Frau
Wilhaus, musste sonntags noch zu nachtschlafender Zeit zur Kirche gehen,
um die aufgestellten zwei Öfen anzuheizen und bis zum
Gottesdienstbeginn mehrmals nachlegen. Der Fußboden erwies sich als
außerordentlich fußkalt, ein Teppich musste angeschafft werden, durch
die Fenster regnete es bald herein und bis 1955 konnte man nur hoffen,
dass kein Gewitter kam, denn es fehlte der Blitzableiter. Erst 1958
wurden Elt-Nachtspeicheröfen für die Kirche angeschafft.
Die Glocken
Zunächst hing im Turm lediglich eine
kleine Patenglocke. Sie stammt aus Ostpreußen und wurde 1775 von Carl
Gottfrid Anthon gegossen. Sie trägt die Inschrift „soli deo gloria":
„Gott allein die Ehre".
1956 kam eine weitere Glocke hinzu. Am 26. April 1966 wurden die dritte und die vierte Glocke in der Glockengießerei Gebrüder Rincker in Sinn/Dillkreis gegossen. Die letzten drei Glocken tragen gemeinsam die Inschrift „(1) Seid fröhlich in Hoffnung, (2) geduldig in Trübsal, (3) haltet an am Gebet" (Römer 12, 12). Bis 1966 mussten die Glocken von Hand geläutet werden; mit den letzten beiden Glocken wurde dann auch ein elektrisches Läutwerk angeschafft. Allerdings machte es erst Herr Kokkelink Ende der 90er Jahre möglich, dass das Läutwerk von der Kirche aus bedient werden konnte und man nicht mehr in Sonntagskleidung in den verschmutzten Turm musste, um die Glocken an- und abzustellen. 1966 wurde auch der Kirchbauverein aufgelöst. Die noch vorhandenen Mittel wurden zur Anschaffung der Glocken beigesteuert.
Die Orgel
In den ersten vier Jahren begleitete
ein altes Harmonium den Gemeindegesang. Am 23. August 1958 aber konnte
mit einer geistlichen Abendmusik die neue Ahrend & Brunzema-Orgel
der Gemeinde vorgestellt werden. Wenn der Eintrag in einem
Kirchenratsprotokoll entsprechend verwirklicht worden ist, dürfte die
ev.-ref. Kirche der Gemeinde die Orgel gestiftet haben. Zwar handelt es
sich um eine kleine Orgel mit nur vier Registern und ohne Pedalwerk,
klanglich aber vermochte sie zu überzeugen. Im Jahr 2001 wurde die Orgel
für fast 10.000 DM renoviert und ihr Klang den veränderten
Raumgegebenheiten angepasst. Mit der Umstrukturierung der Gemeinde wurde
die Ahrend & Brunzema-Orgel dann Ende Juli 2008 im Gemeindehaus an
der Großen Kirche aufgestellt und unterstützt dort den Gemeindegesang
während der Winterkirche.
Seitdem befindet sich in Heisfelde die bislang im Ortsteil Hoheellern beheimatete Ahrend & Brunzema-Orgel mit 5 Registern und Pedal. Es handelt sich um eine „8-Fuß-Orgel", d. h. sie hat einen Praestant 8 Fuß, der als Basis für den Gemeindegesang von Bedeutung ist. Von der Größe her mit einer Höhe von 358 cm passt sie genau an den Standort im Chorraum, wo eine Deckenhöhe von 365 cm besteht. Auch das Gehäuse in Eiche natur passt sich dem Bodenbelag im Chorraum genau an. Inzwischen wird die Orgel von der Gemeinde gut angenommen und geschätzt.